Über den Dächern von Linz
Himmelsträume und Höhenräusche
Ein rekordverdächtiger ‚Höhenrausch‘ klingt aus in diesem Herbst in Linz. Nach 12 Jahren! Noch bis zum 17. Oktober ist der so benannte Kunstparcours über die Dachlandschaften des Oberösterreichischen Kulturquartiers offen. In der letzten Ausgabe geht es um Künstler-Interventionen zum Paradies. Danach ist Schluss. Paradies, Erkenntnis, Macht harmonieren nicht. Die Menschen werden – zumindest in Linz – zum wiederholten Mal aus einem Garten Eden vertrieben. Trösten können sie sich mit einem Riesenstück Linzer Torte im nahen Café Traxlmayr. Eine Bastion der notorisch untergangsverliebten Kaffeehauskultur.
Der ‚Höhenrausch‘ begann als Wolkenkuckucksheim über den Dächern der Donaustadt, als ein u-topischer Ort in einem ganz wörtlichen Sinne, der nur in den Köpfen des Erfinder-Teams um Martin Sturm existierte. Diese fixe Idee schaffte 2009 den Sprung in die Wirklichkeit. Linz brillierte als Europäische Kulturstadt, und der Dachparcours entwickelte sich über Nacht zum populären Publikumsmagneten und zugleich zu einer Must-See-Destination der ambulanten Kunstszene. Solche Sternenstunden der Kultur werden immer seltener, streben doch ansonsten die Milieus eher auseinander, suchen Distanz und Distinktion, stoßen sich gar ab. ‚Kultur für alle‘ klingt heute, zwölf Jahre später ein wenig ‚old school‘. 2009 war das noch anders. Wie sich die Zeiten geändert haben.
Christo ist tot! Es lebe Christo! In Paris wird ihm in diesem Herbst ein Triumphbogen errichtet. Schon Christos ‚Reichstag‘ war ein neues Paradigma der ‚Public Art‘ und steht bis heute bildgebend für die Selbstfindung des Neuen Berlin. Millionen pilgerten dorthin, umkreisten das Gebäude wie Hoffende die Kaaba in Mekka. Am verhüllten Geschichtskoloss zeigte sich die freundliche Macht der Kultur, die Zeit der Eisernen Vorhänge zu vergessen und ins Zukunfts-Offene zu gehen. Der ‚Höhenrausch‘ spielt in dieser Liga. Er veränderte eine Stadt, weil sie sich selbst anders wahrnehmen konnte. Und das nicht nur für rauschhafte 14 Tage wie bei Christo sondern zwölf Jahre lang.
Menschen erleben ‚Public Art‘ Projekte aus den unterschiedlichsten Perspektiven und auf verschiedenen Niveaus. Sie beziehen sich auf ein- und dasselbe Ereignis und speichern das Erlebte als kollektive Erinnerungen. In unseren fragmentierten Gesellschaften ist das ein hohes Gut. Es gibt nicht mehr allzu viele Anlässe, die von einer Mehrheit als relevant wahrgenommen werden. Die Lagerfeuer sind kalt geworden. ‚Public Art‘ schafft dagegen Anlässe und Gelegenheiten und setzt Scharen von Neugierigen in Bewegung. Auch wenn sie noch so unterschiedlicher Meinung sind, so eint sie doch ein gemeinsames Erlebnis als Gesprächsthema. Gerade diese Anschlussfähigkeit macht aus einem Parcours auch einen Discours. Ein lockeres ‚Im Gehen verstehen‘, lässt durch Ortsveränderung neue Perspektiven gewinnen und ist eine uralte Kulturtechnik. Erfahrung ist eben mehr als eine reine Kopfsache. Schon das Wort sagt es. Auf nach Linz! Dort steigen sich die Leute selbst aufs Dach.
Wer über den Tellerrand hinausschauen möchte, tut es am besten den Vögeln gleich, aber hüte sich dabei vor dem Höhenrausch des Ikarus, der übermütig wurde und eine Bruchlandung hinlegte. Beim Linzer Höhenrausch verbindet das Gehen und Flanieren die Horizontale mit der Vertikale mit dem ‚Überblicken‘ und ‚Ausblicken‘ auf Bekanntes, das unbekannt ist und Unbekanntes, das einem bekannt vorkommt.
Die eigene Stadt neu sehen, diese Aussicht lockte die Linzer. Sie räumten den Dach-Stürmern Genehmigungs-Stolperfallen aus dem Weg. Geniale Statiker verteilten elegant die Lasten der Dach-Aufbauten einfach um, so dass Linz über sich selbst hinauswachsen konnte. High & Low der Stadtgesellschaft hatten Spaß an dieser Kunstbesetzung ihrer Dachstübchen und Dachlandschaften mitten in der Innenstadt. Die Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt ließ die letzten Betonköpfe einknicken. Darüber hinaus bot sich die einmalige Chance, den Makel abzuschütteln, Lieblingsstadt des Führers gewesen zu sein. Der Braunauer war in Linz zur Realschule gegangen und wollte in der Arbeiterstadt sein eigenes Führerkunstmuseum errichten. Es gibt böse Höhenräusche mit extremistischem Kontaminierungspotenzial.
Räusche gehören zu den Ambivalenz-Erfahrungen, aus denen die Schäume der Kultur entstehen. Sie setzen Glückshormone frei, wenn Grenzen fallen und sich die Verhältnisse neu mischen. Ist doch Rauschhaftigkeit etwas Unmittelbares, ein Heraustreten aus den vertrauten Unterscheidungen von oben und unten. Lustvoll, lockend, ein bisschen unheimlich auch, im Fremden das Vertraute zu entdecken, die Plötzlichkeit, wenn Nähe und Ferne sich aneinander reiben. Dionysische Rauscherlebnisse sind gemeinschaftsstiftend. Das ist für jede Karnevalisten selbstverständlich. Und das wussten auch die Jesuiten, die mit dem Barock eine Kultur der Überwältigung kreierten, die an Dynamik und immersiver Sogwirkung heute noch locker mit Virtual Reality-Simulationen mithalten kann.
Der Dach-Coup gelang, ein Millionen-Publikum ließ sich verzaubern. Der Höhenrausch ging erst ins Nachspiel, in die Verlängerung und erfand sich dann turnusmäßig jede Saison aufs Neue. Never stop a winning team. Martin Sturm und sein Kuratoren-Team legten jedes Jahr ein neues Thema auf. Zwischen Himmel und Erde ist viel Raum für Phantasien und Raumwunder. Die Türme und die Vögel, die Engel, die Sinne und das Wasser rauschten und es fanden sich international renommierte Künstler, die gern im Auftrag tätig wurden und ihre ortsspezifischen Arbeiten in den Parcours hinein entwickelten. Das Kulturquartier wurde zu einer Biennale Cuvée, für die die Linzer weltweit auf den Biennalen Partner fanden. Linz wurde selbst für Big Names zur Trophäe und zum place to be.
Es begann zur Eröffnung mit einem den Linzer Familien vertrauten Riesenrad, dass auf dem obersten Parkdeck aufgestellt, zu einem farblich veränderten weithin strahlenden Landmark (Maider Lopez) mutierte. Beim ‚Sinnenrausch‘ flogen dann die Besucher im Ketten-Karussell bedrohlich nahe über den urbanen Abgründen. Ein exakter Nachbau des Aussichtsturms ‚Alpenblick‘ an der tschechischen Grenze machte dem Bellevue vom Pöstlingberg Konkurrenz als ‚Keine Sorgen Turm‘ auf dem Parkdeck mitten in der City. Schließlich schwebte ein 18 Meter langes Schiffsgerippe, eine Art ‚Fliegender Holländer‘, in luftigen Höhen (Alexander Ponomarev) und Ilya & Emilia Kabakov konstruierten eine Himmelsleiter (How to meet an angel) während die Japanerin Fujiko Nakaya den Parcours samt Besuchern zeitweise im künstlerischen Sprühnebel verschwinden ließ.
Im Außenbereich kommen interaktive Exponate hinzu, das ganze Programm der analogen Interaktionsobjekte, Photo-Points für Instragram-Posts, Guckkästen, Schaukeln und Wippen, Ton-Installationen. Ein Open-Air-Kino mit Sitztribünen verspricht Sommernachtsträume und ein Open Space, in dem Eva Schlegel die Wahrnehmung und den Gleichgewichtssinn herausfordert, wird zur Prüfung der persönlichen Schwindelfreiheit. Einiges wird dem Oberösterreichischen Kulturquartier erhalten bleiben und in der Innenstadt Aufenthaltsqualitäten jenseits von Konsum und Verzehr hinzufügen.
In der finalen Paradies-Ausgabe kippen die Paradiese ins Dystopische. Da fliegen Freizeitparks in die Luft, Shopping-Paradiese veröden und erweisen sich als Ruinen der Jetztzeit, oder Photoserien von diversen Zaun-Anlagen zeigen die geballte Kreativität der Abschottung, wie sich Zeitgenossen in ihren vermeintlichen Paradiesen verbunkern und sich dabei selbst dessen berauben was sie sichern möchten. Paradiesische Paradoxien.
Der Parcours führt durch Kirchendachstühle und Museumsspeicher mit kinetischen, zwitschernden Kästen (Hsiao Sheng-Chien) und Bienenwachspapier-Installationen (Katharina Struber). Blicke ins Kirchenschiff der Ursulinen-Kirche, Wege über Stiegen und Treppen führen durch Räume, Kojen und Installationen.
Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger haben für den letzten Höhenrausch eine Flughafen-Gangway für einen neuen Opferkult verfremdet, der die Besucher animiert, über einem Baumstumpf der Erkenntnis Kunstdüngerlösung tropfen zu lassen, die mit der Zeit pinkfarben ausblüht und kristallisiert. Kunstdünger als technologische Lösung, Brot aus der Luft zu gewinnen zur Speisung von 8 Milliarden Erdenbürgern. Führt nur noch Technologie ins Paradies des Anthropozän?
Der Parcours verläuft in diesem Jahr nicht mehr durch den Glockenturm der Ursulinenkirche, den der Schweizer Kunstingenieur Jürg Conzett als gewagte Konstruktion aus Holzgerüsten gebaut hatte. Die Stege sind in die Jahre gekommen und mussten teils gesperrt werden ebenso wie die des Atelier Bow-Wow, die sich wie Luftwurzeln über den Komplex gewunden hatten. Ohnehin wechselte die Wegeführung von Jahr zu Jahr. Und diesmal kündigt sich das nahe Ende in den Sperrungen an.
Über die zwölf Jahre ist Linz zur Referenzstadt der ortsspezifisch arbeitenden Künste geworden, die auf Kontexte zu reagieren in der Lage sind, die selbst produzieren und hinterfragen, nicht nur Selbstbeauftragung können, sondern auch Fremdaufträge annehmen und sich Aufgaben anverwandeln können. Erwin Wurm gastierte in Linz, Springbrunnen-Maniak Jeppe Hein, Mark Dion, der die Institution Museum hinterfragt, Roman Signer, dem alles zum Sprengstoff wird, Janet Cardiff, die mit Ton und Licht zaubert, Leonid Tishkov mit seinem ‚private moon‘, nicht zu vergessen das Architektenkollektiv Haus Rucker mit der Nike-Skulptur, die als Angelius Novus in die Einkaufsstraße ragte. Beim ersten Mal als sie in den 1970er Jahren die Kunstuniversität an der Donau zierte, wurde sie als ‚Fetzenvogel‘ aus Linz noch weggemobbt.
Der Höhenrausch hat die Atmosphäre in Linz gewandelt. Die einen mögen sagen in Richtung Offenheit, die anderen in Richtung Gleichgültigkeit. In jedem Fall haben die Spielräume der Kreativen zugenommen. Und das ist gut so. Denn sie suchen die Zukunft für die alte Industriestadt.
In diesem Herbst fährt Martin Sturm (links neben Helmut M. Bien) die Ernte seiner Ära ein. Der Höhenrausch klingt aus. Ihm ist der Boden entzogen. Das Shoppingcenter samt Parkhaus hat neue, anonyme Eigentümer. Eine Gentrifizierungs-Phase für Linz geht zu Ende. Die Kunst hat das ‚Culture Capital‘ angesammelt, das auf den Wert von Grund und Boden einzahlt. Der strebt ab und an nach Realisierung. So bleibt alles in Bewegung. Immobilien sind auch nur falsche Versprechen auf Beständigkeit. Martin Sturm wechselt in den Unruhestand. Ihm bleibt ein erfahrungssattes, aufregendes Leben mit und für die Kulturentfaltung und eine einzigartige Expertise in Sachen Rooftop Culture, die weltweit ihres gleichen suchen dürfte. Dabei hat die Zukunft der Dachlandschaften eigentlich gerade erst begonnen. Ebenso wie die von ‚Public Art‘, die mit oder ohne Auftrag den Zusammenhalt der Gesellschaft als Aufgabe ernst nimmt. Die anstehende Transformation des urbanen Raumes braucht aus diversen Gründen Stadtraumräusche, wollen ihre Protagonisten nicht in einer Verdorfung des Städtischen a la Bullerbü aufwachen.
OK, Offenes Kulturhaus, so nannte sich die Institution, mit der die Erfolgsgeschichte hin zum Oberösterreichische Kulturquartier begann. So wie sich Christo jenseits aller Institutionen selbst beauftragte, so entstanden in den 1990er Jahren Kunsthäuser, die Produktionsorte sein wollten, Orte an denen Neues geschaffen wird und nicht nur bewundert wie in den Schatzhäusern der White Cubes. Während in der einen Welt die weißen Handschuhe der Restauratoren dominieren, sind es in der anderen die schmutzigen Arbeitshandschuhe der Gestaltenden.
Ursprünglich ein Schulgebäude aus den 1930er Jahren baute sich das OK selbst auf und aus, verschaffte sich seine Aufgaben und Aufträge selbst und entdeckte dabei das eigene Dach als Ressource. Von dort war es nur noch ein winziger Schritt, sich in die ‚unmöglichen‘ Räume benachbarter Parkdecks, Einkaufszentren, Kirchen-Dachböden und Glockentürme rhizomartig auszubreiten.
Mit anderen unabhängigen Art Centers entstand weltweit eine Festival- und Biennalen-Kultur der wechselseitigen Einladungen, der Selbstbeauftragungen für Kunstwerke, der Auftragsarbeiten für spektakuläre Großereignisse. Diese Kulturproduktion ließ Künstlerateliers zu mittelständischen Betrieben reifen wie schon in der Renaissance und räumte projektbezogen die Abgrenzungen zwischen Architektur und Film, Theater und Performance, Skulptur und Medienkunst souverän beiseite. Das Überleben und die Anschlussfähigkeit an die Stadtgesellschaft sicherten in Linz ein Restaurant (Gelbes Krokodil incl. Kochbücher) im Souterrain und das Arthouse-Kino Moviemento samt Mediathek.
Seit den Lockdowns und ihren Folgen, die den Kultursektor zu ruinieren drohen, klingen Entgrenzungsvisionen wie sie der Höhenrausch verkörpert fast schon wieder aus der Zeit gefallen. Projekte a la Christo stehen als vermeintliche Zugeständnisse an den Jahrmarkt und an kunstfremde Interessen von Marketing und Tourismus unter Generalverdacht.
Der klinische White Cube – als save space neu erfunden – erlebt eine Renaissance. Grenzen sind wieder en vogue, sei es hygienische, identitäre, elitäre, suprematistische. Unter sich bleiben, das haben alle im Ernstfall Pandemie geübt. Das Kunstmagazin Monopol schreibt flapsig: „99 Prozent der zeitgenössischen Kunst frönen dem Fetisch des Nicht-Verstehens: Die Künstler (Illusion der Individualität), der Sammler (Selbstbild des vitalen Impulsmenschen), Kuratoren (Legitimation der eigenen Existenz).“ Auf solche feinen Unterschiede pfeifen Projekte wie der Höhenrausch, die Ästhetik, Spektakel, Niveau und gute Laune verbreiten. Für das Ende der Pandemie wünscht man sich ein rauschendes Fest der Überlebenden mit den Schmuddelkindern und weniger Kühlkammern für die Konformen und Verängstigten aus der Oberstadt, die sich von Stadt zu Stadt gleichen wie die Fußgängerzonen auch.
Droht jetzt Katerstimmung in Linz? Mitnichten. Es gibt nicht nur die Anton Bruckner-Festspiele, die Bruckner Himmelreich loben und Klangwolken über der Donau aufsteigen lassen und es gibt das Café Traxlmayr mit einem internationalen Zeitschriftensortiment, das in der Gluthitze des Sommers seine Terrassengäste mit ultrafeinem Sprühnebel erfrischt. Im Ernst: Auf die Ars Electronica kommt es demnächst an, die sich dem medialen Rauschen verschrieben hat.
Elektromagnetisch aufgeladen ist die Ars Electronica der Seismograph und die Bodenstation für eine Kulturszene, die sich diesmal Richtung Technologie und Wissenschaft entgrenzt. Die Deep Spaces jenseits der Nibelungenbrücke auf der anderen Donauseite erlauben den Blick aus dem Weltall bis in die Viruszelle, rutschen auf einer Skala entlang zwischen Höhen- und Tiefenrausch. Das E-Zentrum an der Donau entwickelt sich mit dem Team um Gerfried Stocker von einem Showroom zum Laboratorium und wird zum Beispielgeber für das müde Futurium in Berlin und das schon vor seiner Eröffnung veraltete Zukunftsmuseum in Nürnberg. Stehen geblieben auf dem Weltausstellungsniveau des letzten Jahrhunderts mit einer laschen Botschaft wie ‚Bavaria is a modern country‘.
Die junge Generation will nicht nur mit verschränken Armen an Vitrinen entlang flanieren wie im Kaufhaus, Geschmacksurteile abgeben und gelegentlich mal auf einen Knopf drücken oder über einen Bildschirm wischen. Selbst etwas probieren, testen und Anteil an etwas Anderem nehmen, sich austauschen, persönlich und im Netz, das können die Linzer bieten. Kulturinstitutionen des 21. Jahrhunderts sammeln Menschen und nicht Exponate, meint der vorübergehende Linzer Peter Weibel, der von der Ars Electronica ins ZKM nach Karlsruhe wechselte.
Das feste Haus lädt alljährlich zum Festival. In diesem Jahr hat sich die Veranstaltung allerdings aus Linz in wesentlichen Teilen ins Internet in ‚home delivery‘-Formate verflüchtigt. Rund um den Erdball bilden sich Nerd-Cluster mit Linz als der zentralen Relaisstation. Für Freunde einer altbackenen handgreiflichen Sinnlichkeit erschließt sich der Thrill des fröhlichen Coding noch nicht ganz. Aber der Mensch ist ja auch ästhetisch so anpassungsfähig…
Zu den wenigen Schauplätzen des Festivals gehörte in diesem Jahr, das sogenannte ‚Somnium‘, ein Aussichts- und Meditationsort der Johannes Kepler-Uni, 14 Stockwerke über dem Erdboden. ‚Somnium‘ schrieb der Linzer Neu-Bürger Johannes Kepler in seiner Zeit als Astronomie und Astrologie noch nicht getrennte Wege gingen. Er schildert darin als erster den Höhenrausch einer Reise zum Mond. Mit Galilei korrespondierte er und war mit Kopernikus gut bekannt. Er erfand die Keplersche ‚Fassregel‘ und bestimmte erstmals die exakten Planetenbahnen mittels Integralrechnung.
Jede Zeit hat ihren Höhenrausch. Und jeder Höhenrausch hat seine Zeit. Besser mit als ohne Beipackzettel. Dann droht kein böses Erwachen und die gute Laune bleibt erhalten. Eine never ending story, die mit jeder neuen Generation wieder von vorn beginnt.
Text: Helmut M. Bien
Fotos: Angelika Kroll-Marth